Bald wird es keine Guidelines für die digitale Welt mehr brauchen. Zumindest nicht für das Basiswissen. Weil eine Generation im Arbeitsleben steht, für die die digitale Sprache Muttersprache ist. Hochqualifizierte Mitarbeiter sind ein Segen für Unternehmen, wären da nicht die Ansprüche. Die sogenannte Generation Y will nämlich möglichst flexibel sein in der Gestaltung ihres Lebens. Flexibel, wann und wo sie arbeiten. Für Unternehmen ist das ein Problem. Aber warum eigentlich?

Sie definieren einen neuen Lebensstil, der das alteingesessene Modell der Nine-To-Five-Jobs und der Präsenzkultur in Unternehmen mit Füßen tritt. Die modernen digitalen Möglichkeiten erlauben es den sogenannten digitalen Nomaden örtlich und zeitlich flexibel zu arbeiten. Das Nomadentum passt zum Lebensgefühl einer Generation, die nach Freiheit und Selbstbestimmung im Leben verlangt. Anders als gemeinhin angenommen, sind digitale Nomaden aber keine Einzelgänger, die auf der Suche nach dem Sinn des Lebens von einer Party zur nächsten hüpfen. Sie sind der Vorgeschmack einer Generation, die gerade heranwächst. Sie verkörpern die völlige Flexibilität des Tuns. Sie pflegen soziale Kontakte und haben diese auf der ganzen Welt. Sie vernetzen sich und finden sich – ganz analog – in Metropolen auf der ganzen Welt auf kleinstem Raum zusammen, um am WLAN-Hotspot ihre Projekte umzusetzen. Denn auch sie brauchen Geld. Und verdienen es meist online für ständig wechselnde Auftraggeber oder über ihr eigene Projekte.

Laptop und WLAN statt Festanstellung?

Ein digitaler Nomade ist möglicherweise sprunghaft was seine Aufenthaltsorte angeht, aber nicht zwangsläufig in Sachen Beziehungen. Auch nicht, wenn es um die mit seinen Auftraggebern geht. Es ist auch falsch anzunehmen, dass sich ein digitaler Nomade nicht einem Unternehmen verschreiben kann beziehungsweise könnte, denn in den wenigsten Betrieben lassen sich Festanstellungen für digitale Nomaden auffinden. Die Unternehmen ihrerseits hätten aber die Möglichkeit, Arbeitsplätze von ortsunabhängigen Mitarbeitern besetzen zu können. Sie würden von ihnen profitieren. Digitale Nomaden haben üblicherweise viel Einblick in die Arbeit von anderen Freelancern. Ein Segen für Unternehmen, deren Mitarbeiter nur ungern über den eigenen Tellerrand schauen.

Wer sich seinen Arbeitsplatz täglich selbst aussuchen kann, mag unterm Strich motivierter arbeiten, was für „kreative” Jobs umso mehr gilt. Ob Büro oder nicht – Zählt am Ende nicht das Ergebnis? Quelle: pexels.com

So werden beispielsweise Berlin, Prag und Chiang Mai in Thailand als „die Hotspots der Szene” bezeichnet. Digitale Nomaden arbeiten dort, tauschen sich aus, lernen voneinander und ziehen dann weiter. Sie sind keine Eigenbrötler, bleiben eben nur nicht ständig in einer Gruppenkonstellation zusammen. Wer sich mag sieht sich wieder. Auch das ist ein Leichtes dank der digitalen Welt. Genauso wie das Arbeiten an sich. Laptop und WLAN – mehr braucht es nicht. Natürlich ist nicht jeder Job für sie machbar. Aber neben dem Kernarbeitsbereichen wie Marketing oder IT gibt es auch viele Buchhalter unter den Nomaden. Generell ließe sich wohl jeder Bürojob auf diesen Lebensstil ummünzen. Wenn der Wille da wäre.

Endloser Strandurlaub

Warum aber gibt es so gut wie keine fest angestellten digitalen Nomaden? Weil sie für ein Unternehmen nicht zu gebrauchen sind? Weil sie eben nicht regelmäßig greifbar sind? Oder liegt es (auch) an den vorherrschenden Strukturen der Firmen, in denen sich Frauke aus dem Marketing gerne beim Kollegen beschwert, dass „er ja nicht immer da ist“. Und vielleicht liegt es auch an Florian, dem Kollegen aus dem Einkauf, der seine Termine einfach immer um zehn Uhr abhält. Aus welchen Gründen auch immer. Natürlich gibt es auch überall Andrea aus der Abteilung nebenan, die einfach gerne ins Büro kommt. Andrea, die um Punkt acht einstempelt, drölfzig Mal am Tag zum FROG (Firmenrundgang ohne Grund) aufbricht, um über den Krankenstand der Kollegen auf dem Laufenden zu bleiben und die pünktlich um 17 Uhr den Stift fallen lässt, nachdem sie den Computer genau drei Minuten vorher bereits heruntergefahren hat.

Bei international agierenden Unternehmen laufen die Uhren sowieso „ungleichzeitig”. Warum sollten dann Arbeitsmodelle – und eine Festanstellung! – jenseits des klassischem 9to5-Schemas nicht möglich sein? Quelle: pexels.com

Doch am Ende ist es immer die Führungsetage. Wenn der Chef seinen Mitarbeiter nicht ständig greifen kann, kann das ein Problem sein. Meistens nicht für die Firma selbst, aber für den Chef, der es gewohnt ist, eine gewisse Kontrollfunktion zu erfüllen und Arbeitszeiten seiner Untergebenen genau zu messen. Wer anwesend ist, der arbeitet. So einfach ist das Gesetz. Und mal ehrlich. Lieber geben wir Geld für eine neue Kaffeeküche – heute auch Meetingpoint genannt – aus, als dem „avantgardistischen” Jungspund seinen endlosen Strandurlaub zu finanzieren. Oder sollte man das alles lieber doch nochmal überdenken?