Wer die Stadt der Zukunft ernährt

Nahrungsmittel werden immer mehr zu High-Tech-Produkten. Die weltweiten Anbauflächen stoßen an ihre natürlichen Grenzen. Egal ob Insekten, Kugelfische, oder Amphibien – die Artenvielfalt auf dem Teller wird durch die Vernetzung der Welt zunehmen. Doch schmeckt Gemüse überhaupt noch, wenn es nicht mal einen Sonnenstrahl gesehen hat?

Kommt die Herrschaft der Algorithmen? Wer im vergangenen Jahr über die Mailänder Weltausstellung spazierte, konnte schon mal diesen Eindruck gewinnen. Die sogenannte “Algokratie” war dort schon ganz konkret spürbar. Besucher konnten Zeugen der Entwicklung einer Technologie werden, die das Zeug hat, unseren gesamten Alltag zu erobern – und die vor unserem Teller nicht halt machen wird.

Feeding the Planet, Energy for life

Dieses Motto der Expo 2015 spricht Bände. Die Ernährung des Planeten soll künftig mithilfe von Technologien erreicht werden. Das Credo klingt optimistisch – auch wenn viele Beispiele auf der Expo ein wenig gewöhnungsbedürftig anmuteten: Ein Pavillon aus Zimbabwe verteilte dort Burger der etwas anderen Art – gefertigt aus Krokodil, Zebra und Python. Die japanischen Aussteller präsentierten ihren Gästen Sashimi aus Kugelfisch. Im sogenannten Future Food District durfte man eingelegte Insekten verkosten, die sich in Asien zwar zunehmender Beliebtheit erfreuen, auf dem europäischen Markt bislang noch nicht zugelassen sind. Global betrachtet gilt dennoch: Algen- und Insektenfarmen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Wer heute schon gerne mal Heuschrecke auf seinem Teller hätte, braucht nur das texanische Unternehmen Aspire zu kontaktieren. Die ungewohnten Leckereien werden für 10 Dollar à 100 Gramm per Post verschickt.

Auf der Expo 2015 wurde nicht nur Krokodil, Zebra und Python kredenzt, sondern auch diverse Insekten. Eines muss man den Krabbeltierchen zugestehen: Proteinhaltig sind sie allemal. Bildquelle: wikimedia.org
Auf der Expo 2015 wurde nicht nur Krokodil, Zebra und Python kredenzt, sondern auch diverse Insekten. Eines muss man den Krabbeltierchen zugestehen: Proteinhaltig sind sie allemal. Bildquelle: wikimedia.org

Neue Technologien: Die Lösung der malthusianischen Falle

Während die kulinarischen Kuriositäten der Expo – vielleicht mal abgesehen von den Insekten – das globale Nahrungsmittelproblem noch nicht wirklich zu lösen versprechen, stoßen die Innovation, die der New Yorker Fachblog Food + Tech Connect regelmäßig präsentiert, in ein ganz anderes Fahrwasser. Wenn man sich die Themen und Beiträge genauer ansieht, bemerkt man Folgendes: Auf der ganzen Welt werden Investoren gesucht, um umsatzstarke Konzepte zu entwickeln, die die Malthusanische Falle ein für Mal lösen sollen. Bei aller Kritik, die Malthus‘ Modell wohl zu Recht demontiert hat, sind seine Kassandrarufe, die vor einer Unvereinbarkeit des steten Bevölkerungswachstums und einer ausreichenden Ernährung der Weltbevölkerung warnen, so präsent wie lange nicht mehr. Malthus wurde weltweit bekannt, als er 1798 postulierte, dass die landwirtschaftliche Produktion niemals mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten könnte. Dieses Hemmnis für wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum zwinge die Menschheit, sich früher oder später zu einer rein agrarischen Gesellschaft zurückzuentwickeln, so Malthus. Die jüngsten Innovationen, die auf der Food + Tech Connect vorgestellt wurden, scheinen die Ideen des Ökonomen, der an der Schwelle des 18. zum 19. Jahrhunderts lebte, endgültig begraben zu wollen.

Mit Hilfe neuer Technologien sollen bislang nicht essbar geglaubte Zutaten in köstliche Rezepte transformiert werden. Stammzellenforschung – genauer gesagt die Züchtung von Nahrungsmitteln aus tierischen und pflanzlichen Stammzellen – soll unser Essen von morgen revolutionieren. Smarte Städte sollen in Zukunft alle Nahrung lokal produzieren und die irrsinnigen, globalen Transportwege obsolet machen. Möglich wird das durch die Nutzbarmachung sämtlicher vor Ort verfügbarer Daten und die Schaffung von Systemen, in denen Produktion und Bedarf eng aufeinander abgestimmt werden können.  Information ist demnach die fehlende Zutat, um eine wirklich nachhaltige Ernährung zu verwirklichen.