Ernährung ist schon lange „Big Business”

Ernährung ist schon lange „Big Business”

Seit 2013 wurden jedenfalls eine Reihe kapitalkräftiger Investmentfonds ins Leben gerufen, um alternative Konzepte der Lebensmittelherstellung voranzutreiben. Wenn man den Berechnungen des New Yorker Fachblog Food + Tech Connect Glauben schenken darf, dann strömen jeden Monat neunstellige Dollar-Beträge in innovative Ideen rund ums Essen der Zukunft. Bill Gates und Jerry Yang investierten unlängst in das hühnerlose Ei der Firma Hampton Creek. Sergey Brin ist federführender Geldgeber für den ersten Labor-Burger, der rein aus Stammzellen gezüchtet wird. Biz Stone unterstützt ein Start-Up-Unternehmen, das sich auf die Herstellung veganer Ersatzprodukte für Fleisch spezialisiert hat. Peter Thiel sponsort unlängst das Berliner Jungunternehmen “Eating with the Chefs”, dessen Geschäftsmodell, darauf basiert, Luxusgerichte von Sterneköchen auch für den kleinen Mann erschwinglich zu machen.

In urkapitalistischer Manier entsteht also derzeit eine gewaltige Industrie, deren Pioniergeist darauf abzielt, gesündere, billigere und ethisch vertretbarere Lebensmittel herzustellen. Die Namen der Investoren geben jedenfalls zu denken. Wenn einflussreiche Big-Player wie Microsoft-Ikone Bill Gates, Yahoo-Gründer Jerry Yang, Google-Pionier Sergey Brin, Twitter-Erfinder Biz Stone, oder Facebook-Milliardär Peter Thiel dazu bereit sind, ihre Millionen großzügig zu streuen, dann darf man getrost Gift darauf nehmen, dass dieses neue Hightech-Essen von morgen im Prinzip schon längst unter uns weilt.

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Natürlich kann niemand genau sagen, wie sich das Bevölkerungswachstum entwickelt. Sollte jedoch die mittlere oder gar hohe Einschätzung der U.N. Wirklichkeit werden, dann werden in ca. 30 Jahren eine Menge Mäuler zu sättigen sein. Bildquelle: wikipedia.org

Löst Technik allein das globale Ernährungsproblem?

Ob es realistisch ist, das globale Ernährungsproblem allein durch Technik zu lösen, steht auf einem anderen Papier: von mehr als 7 Milliarden Menschen leiden bis heute über 800 Millionen an Mangelernährung und ihren schädlichen Folgen für die Gesundheit und die Aussicht auf ein langes Leben. Die Vereinten Nationen erwarten bis 2050 etwa einen Bevölkerungsanstieg auf 9,7 Milliarden Menschen weltweit. Trotz, oder vielleicht gerade wegen des kurzen Zeitraums existieren kaum überzeugende Konzepte, wie so viele Menschen nachhaltig ernährt werden sollen. Der westliche Lebensstil ist weniger Lösung, als vielmehr Teil des Problems. Der Raubbau am blauen Planeten ist unbestritten und die Ergebnisse aller bisherigen Weltklimagipfel sind mehr als bescheiden.

Dass die weltweite Landwirtschaft – aller Innovationen zum Trotz – schon jetzt an ihre natürlichen Grenzen stößt, ist auch den Technik-Pionieren aus dem Silicon Valley kein Geheimnis. Allein für Europa sehen die Zahlen düster aus. Recherchen des Heinrich-Böll-Instituts zufolge müsste die landwirtschaftliche Nutzfläche aller EU-Mitgliedstaaten eineinhalbmal so groß sein wie die Union selbst, und das nur, um den derzeitigen Lebensstandard zu halten. Wo diese Flächen plötzlich herkommen sollen, weiß kein Mensch.

Bislang standen sich in diesem Diskurs zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Auf der einen Seite die Agrarkonzerne, die vornehmlich auf Monokulturen und Massentierhaltung setzen. Auf der anderen Seite stehen die Biolandwirte, die eine nachhaltige und überschaubare Agrokultur umsetzen. Die Ergebnisse dieses postmodernen Kulturkampfs lassen sich in jedem Supermarkt begutachten. Doch nun steht eine dritte Gruppe im Begriff, unsere Landwirtschaft umzukrempeln. Die fertigen Endprodukte mögen noch weitesgehend unbekannt sein, doch mittlerweile experimentieren Start-Ups rund um den Globus mit Alternativen, um beim Anbau und der Kultivierung von Lebensmitteln andere, neue Wege zu gehen.

Die größte Innenstadtfarm Europas steht im Herzen Berlin-Schöneberg. Das Unternehmen ECF, Europas modernste urbane Aquaponik-Farm, ist spezialisiert auf Fischzucht mit Gemüseanbau. Dort gedeihen also nicht nur “glückliche” Barsche, sondern auch frischer Gaugin, italienischer Schwarzkohl, englische Minze, duftender Basilikum und sogar frische Tomaten im Sommer – und das natürlich ohne Gentechnik, Antibiotika oder Pestizide. Das nährstoffreiche Wasser aus der Fischzucht wird als umweltfreundlicher Dünger für die vielseitigen Gewächshäuser genutzt. Das spart Wasser, CO2 und Transportwege. Die meisten Start-Ups verschreiben sich ganz bewusst einer umweltbewussten und nachhaltigen Firmenphilosophie.

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Sieht so der Bauerhof der Zukunft aus? Ein untypisches Bild agrarischen Landbaus, an das wir uns vielleicht gewöhnen sollten. Die Entwürfe der ersten “Farmscraper” stehen bereits. Bildquelle: wikipedia.org