Das Teilen über Onlineportale, die sogenannte Share Economy, galt lange als eine der größten Revolutionen im Web 2.0 – bis sie von findigen Unternehmern entdeckt und in profitable Geschäftsmodelle verpackt wurde. Seitdem streiten wir über ausgebeutete Taxifahrer und demolierte Hotelzimmer. Und müssen uns als Gesellschaft die Frage stellen: Schaffen wir es endlich, die Segnungen des Internets so zu nutzen, dass die ganze Gesellschaft davon profitiert?
Es lässt sich ja auch so wunderbar schönreden. Ich habe etwas und teile es mit anderen. So wunderbar der Gedanke, so anders die Realität. Und je mehr sich der Einzelne hinter dem Deckmantel Sharing Economy versteckt, desto eher wird er zum Spielball all jener, die für das stehen, dem er abgeschworen hat: für Habgier, Besitz und Macht.
Der Profitgedanke frisst die Idee
Der erste große Hype ist verflogen. Und zwar sturmhaft. Airbnb, Uber und Co. haben offenbar ihren Zauber verloren. Sie haben ihn sich selbst genommen. Mit zu vielen Skandalen, zu viel Gier. Obwohl alles so verheißungsvoll begann. Die Zeit war reif für eine Veränderung und die Online-Plattformen trafen den Nerv. Als Airbnb das kurzzeitige Vermieten des eigenen Wohnraums zu seinem Geschäftsmodell machte, wurde der Sharing Economy bereits die dritte industrielle Revolution vorausgesagt.
Was die Welt mit offenen Armen empfing, waren Ideen mit Charakter. Mit persönlichem Touch. Lieber über lendico einen Kredit von einer realen Person annehmen, als von der Bank. Nie mehr in anonymen Hotelzimmern übernachten, sondern bei realen Menschen zu Hause. Dadurch bekommt die Stadt ein Gesicht, noch bevor sie besucht wird. Daneben Uber, das Taxifahrten auf ein anderes Level hebt. Höflichkeit, Menschlichkeit und Service. Immer. Das wird strengstens kontrolliert. Vorbei also die Zeit, in denen der Taxifahrer nur mürrisch bei den Koffern anpackte.
Die Welt war also bereit. Das Teilen ging in die nächste Runde und die Ideen klangen gut. Am Ende war der Gedanke aber romantischer als die Realität. Airbnb wurde missbraucht. Von denen, die das Konzept „Teilen” offenbar missverstanden haben und in fremden Wohnungen randalierten, sie ohne Genehmigung als Pornodrehort benutzten oder Anbieter, die Wohnungen gezielt zur Vermarktung über Airbnb anmieteten und so den Ballungsräumen den ohnehin schon knappen Wohnraum entzogen.
Daneben Uber. Das genial menschliche Konzept, das eigentlich gar nicht so menschlich ist. Schnell stand der Vorwurf im Raum, die Fahrer würden ausgebeutet. Eigentlich nichts Neues, eine Logik kapitalistischen Wirtschaftens. Höherer Gewinn durch niedrigere Ausgaben und weniger Lohn für die Fahrer. So oft gehabt.
Profitgier richtet die schönste Idee zu Grunde. Und doch hat sie in Bezug auf Online-Plattformen eine neue Dimension erreicht. Weil alle mitspielen und die Augen nur zu gerne vor der Realität verschließen.
Das neue Lebensgefühl als Spielball für Profitjäger
Für unsere Kinder und Kindeskinder ist es längst Normalität, Bilder ihres Essens mit der Welt zu teilen. Online-Plattformen auf denen das eigene Bett zur Verfügung gestellt wird, sind da keine Überraschung mehr, sondern der logische nächste Schritt. Genannt: Sharing Economy. Längst nicht mehr Fachbegriff, sondern bereits Ausdruck modernen Lebensgefühls. Doch passt der Begriff überhaupt in den Kontext, auch wenn er allzu oft in diesem verwendet wird? Die neuen Unternehmen stellen die Plattform und die Welt darf sich als Subunternehmer präsentieren. So ganz selbstlos ist dieses Teilen also nicht. Es ist eher eine Vermarktung des eigenen Besitzes.
Und dadurch profitieren wiederum die, die sowieso etwas haben. Für sie sind die Plattformen gerade deshalb attraktiv, weil ihnen eine Infrastruktur geboten wird, die sie nicht selbst schaffen oder weiterentwickeln müssen. Schnell bekommt die idealistische Idee den faden Beigeschmack des renditeorientierten Geschäfts und jegliche Romantik geht flöten. Der Profitgedanke beherrscht das System. Obwohl die Portale selbst durch ein ganz anderes Lebensgefühl Fahrt aufnahmen: Das Gefühl des Teilens eben.
Menschliche Beziehungen zu pflegen. Ob inszeniert oder nicht, das zieht all jene an Bord, die eben lieber mit dem Fahrrad ans Meer als mit dem Porsche zur Arbeit fahren. Die für eine neue Welt stehen und genau das läuft konträr zum Profitgedanken.
Das Zukunftsinstitut „Wie geht’s der Welt“ veröffentlichte 2008 einen Wertemonitor nach einer Befragung in 25 Ländern. Werte wie Macht, Status und Egoismus landeten auf den hinteren Plätzen. Hingegen Familie, stabile soziale Beziehungen und Freundschaft punkteten. Der Kapitalismus hätte in den meisten Köpfen längst ein Ende gefunden, aber was tun, wenn noch zu viele das Leben nicht verstanden haben?
Sozialer Wohlstand durch gutes Teilen
Es gibt es schon. Das gute Teilen. In den Städten, in denen Grünanlagen für die Allgemeinheit errichtet werden. Die internationale Plattform FUTUREPERFECT, als Gemeinschaftsprojekt von FUTURZWEI und dem Goethe-Institut, bündelt die Geschichten von Ideengebern, denen nachhaltiger Wohlstand wichtiger ist als Wachstum. Das Wir-Gefühl stimmt. Online ist es über nebenan.de, WirNachbarn.com und Co zu finden. Ein weiteres Beispiel und das vielleicht bekannteste zum Thema gutes Teilen ist die Wissensplattform Wikipedia. Was den Kleinen fehlt, ist gutes Marketing, um groß zu werden. Doch sie vermissen es nicht. Und haben sie es doch und schaffen es zu einem gewissen Bekanntheitsgrad, fehlt meist das Kapital, um das Projekt weiter voranzutreiben.
Ein Teufelskreis? Zumindest wissen wir dank der Carsharing-Gemeinschaft und dem beliebten Couchsurfing-Modell, die ein ähnliches Konzept anbieten wie Airbnb und Uber, dass auch letztere im Grundgedanken gut sind. Es gibt also noch Hoffnung für die Sharing-Economy. Die ersten Schritte zu einem besseren Teilen sind getan. Aber: Wenn Wien und Berlin Gesetze zur Kurzzeitvermietung erlassen, hilft das den Bewohnern in Barcelona nur wenig. Auch die Betreiber der Plattformen verstecken sich schon zu lange hinter dem Deckmantel, „reine Technologieanbieter“ zu sein. Dabei ist es doch ihr eigenes Konzept: Das Teilen. Geteilt werden sollte dann wirklich alles. Auch die Verantwortung.
Plattformen bereichern sich an den von anderen erbrachten Leistungen, weisen aber gleichzeitig jede Verantwortung für ihre Angestellten von sich, denn sie sind ja „nur Vermittler”. Wichtige Errungenschaften wie Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Arbeitsschutz und Arbeitszeitregeln bleiben somit auf der Strecke.
Verantwortung übernehmen heißt realistisch zu sein
Um Verantwortung übernehmen zu können, muss zuallererst Schluss sein mit der Schönrederei. Mit dem Ende des Kapitalismus hat die Sharing Economy nämlich nichts zu tun. Ganz und gar nichts. Es handelt sich zumeist um knallharte Geschäftsmodelle und die Digitalisierung schafft Schlupflöcher für noch mehr Kapital. Dieses Kapital stammt aus den Geldbeuteln derer, die es zumeist gut meinen. Die an einer guten Sache teilhaben wollen, an einer guten Idee.
Und jetzt? Ist das neue sozial, sich der Community abzuwenden? Muss man gleich zum Veganer werden, weil es Massentierhaltung gibt? Der Weg zu mehr Verantwortungsbewusstsein ist jedem selbst überlassen. Ein erster Schritt ist es schon, seine Milch beim Bauern des Vertrauens zu holen. Anders gesagt: Es geht darum, wachsam zu sein. Sharing ist Daring. Und zum Wachsam sein gehört auch, Begriffe wie neues Lebensgefühl, Welt des Teilens und eben Sharing Economy nur in dem Zusammenhang zu verwenden, in den es gehört – fernab von Habgier, Macht und Profit.