Foodpairing: Informationstechnologie als Ende der Nahrungsmittelverschwendung
Algorithmen können alles. Sogar kochen. Mit Hilfe der Informationstechnologie können aus den diffusesten Zutaten leckere Rezepte berechnet werden. Das Ziel: Hightech-Nahrungsmittel, die in der Lage sind, unser Essverhalten zu revolutionieren.
Für Dan Barber ist die Sache eindeutig: “Wenn wir nur das essen, was die Erde uns bereitstellt, dann ist genug Nahrung für alle da.” Die Kritik des Chefkochs des renommierten “Blue-Hill-Restaurants” in New York entzündet sich vornehmlich daran, dass wir zu wählerisch geworden sind und damit ganze Spezies auslöschen, zu viele Lebensmittel in die Tonne treten und das Potenzial unserer Ressourcen nicht vollständig ausschöpfen.
Belege für diese These gibt es genug, etwa den weltweiten Aderlass unserer Fischbestände, allen voran den bei Lachs und Thunfisch. Die Zahlen sind wahre Augenöffner: Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftlichen Organisation der Vereinten Nationen (FAO) stieg die Fangzahl von etwa 400.000 Tonnen im Jahr 1955 auf über 2 Millionen Tonnen bis 1997. Der Hunger nach frischem Lachs ist mittlerweile so groß, dass die US-amerikanische Behörde Food and Drug Administration (FDA) im November 2015 zum ersten Mal ein genverändertes Tier als Lebensmittel zugelassen hat, dessen eingepflanztes Wachstumshormon dafür sorgt, dass der Lachs nur noch halb so lange zur Aufzucht benötigt.
Ein weiteres gravierendes Problem ist der Beifang, der bei der industriellen Fischerei entsteht: Nach Angaben des WWF fallen weltweit pro Jahr rund 300.000 Wale und Delfine, 300.000 Seevögel, mehrere Millionen Haie und 250.000 Meeresschildkröten der Fischerei zum Opfer. Die Beifangmenge in der Shrimpfischerei macht bis zu 80 Prozent vom Fang aus. Wale, Delfine, Haie fallen der Fischerei zum Opfer, nicht irgendwo, sondern auch in Deutschland. Gerade in der Nordsee wird besonders viel Beifang entsorgt. Dort wird jährlich ein Drittel des Fangs als Abfall über Bord geworfen. Über einer Million Tonnen Fisch und andere Meerestiere sterben dabei völlig umsonst, weil wir sie scheinbar nicht mögen oder zu träge sind, sie zu Nahrungsmitteln zu verarbeiten. Was wäre also, wenn diese gigantische Mengen in Zukunft nicht auf dem Grund des Ozeans verendeten, sondern den Weg auf unsere Teller fänden?
Aromen-Analyse auf molekularer Ebene bringt Innovationen auf den Teller
Bernard Lahousse will der Verschwendung ein Ende setzen. Mit Hilfe der Informationstechnologie sollen die Profile sämtlicher Aromen und Geschmäcker – auch die von scheinbarem “Abfall” künftig analysiert und nutzbar gemacht werden. Auf der Grundlage einer riesigen Datenbasis sollen dann ungeahnte Kombinationen und völlig neue Gerichte entstehen.
Zusammen mit belgischen Partnern und Investoren ist es Lahousse und seiner Agentur Foodpairing gelungen, 30 Beifang-Fischarten der Nordsee in ihre Datenbank aufzunehmen und zu analysieren. Fische wie der Franzosendorsch müssen seitdem nicht mehr zwangläufig als unnützer Beifang verenden.
Das aromatische Profil des Franzosendorsch – analysiert auf molekularer Ebene – stellt eine geschmackliche Verbindung zu Ingwer und Orange her. Das Aroma selbst enthält Noten von geröstetem Popcorn, bereichert durch buttrige und blumige Nuancen. Wer sich davon geschmacklich inspiriert fühlt, kann ja das neue Foodpairing-Rezept des firmeneigenen Michelin-Sternekochs Peter Coucquyt selbst probieren: Franzosendorsch mit Orangen-Ingwer-Suppe. Bon Appetit.