Internet of Thingsbums: Von Sinn und Sinnlosigkeit vernetzter Produkte

Produkte interagieren zunehmend mit dem Verbraucher und teilen sich rege mit. Ab sofort weiß der User – bzw. sein Smartphone –, wann, ob und wie er sich zu rasieren braucht, die Sonnencreme noch wirkt, er schwanger ist und ob der Partner gerade fremdgeht. Das viel besungene Internet der Dinge wird zunehmend zum Internet aller Dinge, also eine Art der Vernetzung, die Alltägliches regelt und selbst vor intimen Lebensbereichen keinen Halt macht.

“Schönheit von morgen hat viel mit Vernetzung zu tun”, sagte jüngst Jean-Paul Agon, der Vorstandschef von L’Oréal. Klingt gut. Aber was soll das sein? Ein Blick auf die im Januar abgehaltene 2016 Consumer Electronics Show (CES) mag die ein oder andere Antwort auf diese Frage liefern. Auf der CES werden in der Hauptsache die neuesten Technologien präsentiert. Sie gilt neben der CeBIT, Computex, IFA und dem Mobile World Congress als eine der weltweit wichtigsten Messen für die IT-Branche. L’Oréal war mit zahlreichen Unternehmen vertreten, zum Beispiel Vichy, The Body Shop oder La Roche-Posay.

Smart Cosmetics: Fluch oder Segen?

Die zuletzt genannte Apothekenkosmetikmarke La Roche-Posay hat Anfang 2016 ein innovatives Hautpflaster präsentiert, das als Sinnbild für die schleichende Verschmelzung von Kosmetik und IT betrachten werden kann. Das Pflaster warnt seinen Träger vor einer zu großen UV-Belastung durch die Sonne. Sonnencreme schützt den Strandliebhaber bekanntlich nur für einen befristeten Zeitraum und muss immer wieder neu aufgetragen werden. Das intelligente Pflaster von La Roche-Posay ist mit dem Smartphone des Benutzers verbunden und empfiehlt seinen Trägern rechtzeitig den neuen Anstrich. Das Pflaster überprüft den Sonnencremefilm auf der Haut und teilt sich bei Bedarf mit – das ist im Grunde das, was vernetzte Kosmetik meint: Das Produkt interagiert mit dem User.

Andere Nachrichten klingen eher beängstigend. Recherchen der ZEIT zufolge habe die Enthüllungsplattform “The Intercept” zu Tage gefördert, dass der amerikanische Geheimdienst CIA sich ebenfalls an einer vernetzten Kosmetikfirma beteiligt. Dass die Agenten der CIA unter vernetzten Kosmetika etwas anderes verstehen, als der Sonnenbader am Strand, ist offenkundig. Wenn man den Informationen von The Intercept glauben schenken darf, sollen die Pflegeprodukte des Nachrichtendienstes DNA-Daten erfassen. Also Achtung beim nächsten Sonnenbad: Die (Mogel-) Packung hat womöglich “die Lizenz zum Töten” und James Bond wird nicht helfen! Wollen wir nur hoffen, dass die Agenten-Schmiere auch vor UV schützt, wenn sie schon unsere DNA-Daten durch den Äther jagt.

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Früher, also vor den Wundern der Digitalisiserung, war das Abhören und Sammeln von Informationen und Daten doch noch aufwendiger! Quelle: c1.staticflickr.com

Digitalisierung in der Kosmetik

Der französischer Konsumgüterkonzern L’Oréal mit Hauptsitz in Clichy hat mit der CIA dann doch eher wenig zu tun, aber dass beide Institutionen sich mit vernetzter Kosmetik auseinandersetzen zeigt immerhin, dass die Digitalisierung auch in diesem Bereich eine immer größere Rolle spielen wird.

Die Vernetzung soll dem Konsumenten demnach helfen, ein individuelles Verständnis von Schönheit zu entwickeln. Diesem Denken folgend, hat der Kosmetikgigant ein neues Gerät erfunden, das die Hautfarbe des Kunden akribisch analysiert. Auf der Basis dieser Daten kann ein Make-Up hergestellt werden, das perfekt den Teint des Trägers trifft. Ob mit Hautmakeln oder ohne, ob tätowiert oder nicht: Auf der Kampagnenseite und bei Youtube führt L’Oréal drei Charaktere ein, die aus ganz verschiedenen Beweggründen die Wirkung des stark deckenden Make-Ups Vichy Dermablend unter Beweis stellen.

Bei L’Oréal kommt derzeit einiges in Bewegung: Der Konzern verschlankt seine Strukturen, erstmals gibt es eine übergreifende Marketingchefin, seit kurzem auch einen Chief Data Officer. Das Unternehmen will sich mit konsequenter Digitalisierung und Content Marketing fit für die Zukunft machen. Der Content Marketing Officer des Unternehmens (CMO), Eva Henry-Künne, sagte jüngst in einem Interview mit dem Branchenmagazin Horizont: “Digitalisierung gibt uns die Chance, beim Thema Daten deutlich weiterzugehen.” Eine goldene Regel des Internets hat das Unternehmen damit verstanden: Es hat etwas mit Daten zu tun.

Auch die neueste Studie „Consumer Trends 2015“ von Mintel sieht die zunehmende Digitalisierung als treibende Kraft für den Kosmetikmarkt. Den Analysten zufolge würden Verbraucher künftig vermehrt Apps nutzen, die beispielsweise die zurückgelegten Kilometer der Inhaltsstoffe der Reinigungsprodukte messen würden. Diese Zielgruppe werde nach Angaben der Marktforscher wahrscheinlich auch Kosmetik kaufen, die den Claim „Schutz vor Umwelteinflüssen“ tragen. Die Creme der Zukunft soll mittels Digitalisierung sowohl den individuellen Bedürfnissen der Haut als auch den Umwelteinflüssen am Wohnort des Kunden genügen.

Jean-Paul Agon, der Vorstandschef von L’Oréal, zeigt sich davon überzeugt: “Dank der Digitalisierung können wir vielleicht eines Tages eine Creme anbieten, die auf die individuellen Bedürfnisse der Haut ebenso abgestimmt ist wie auf die Umwelteinflüsse am Wohnort unserer Kunden. Technologie eröffnet uns fantastische Möglichkeiten.”