Wie viel Scheitern ist genug?

Wie viel Scheitern ist genug?

Der neueste Neologismus der Start-Up-Szene, die seit dem letzten Jahr aggressiv proklamierte Forderung nach einer “Kultur des Scheiterns” gehört zum anständigen Werteportfolio eines jeden Gründers. Sie ist ein notwendiges Korrektiv der Start-Up-Szene, in der Gründung und Aufgabe einer Unternehmung so eng beieinander liegen in einer Branche, die zu einem bedeutenden Teil von der positiven Einstellung ihrer Unternehmen lebt und in der die Gründung als Selbstzweck die wichtigste Eigenschaft ist. Die Kultur des Scheiterns, die mittlerweile in eigenen Veranstaltungen, den sogenannten Fuck-Up-Nights, zelebriert wird, ist das Schmiermittel einer Wirtschaft, in der große Inkubatorfirmen das Scheitern als festen Bestandteil des eigenen Geschäftsmodells kultivieren.

Große Investoren, Venturegesellschaften und Inkubatoren kalkulieren mit dem erhöhten Risiko und federn daraus entstehende Verluste mit den wenigen erfolgreichen Unternehmen in ihrem Portfolio ab. Das System Gründerszene reproduziert sich ständig selbst und ist auf die “Wiederholungstäter”, die nach dem “Trial-and-Error”-Prinzip ein Start-Up nach dem anderen gründen, angewiesen. Diese tragen indes das Hauptrisiko. Denn wer einen Großteil seiner beruflichen Laufbahn damit verbringt, eine Online-Vermittlungsplattform nach der anderen hochzuziehen, zahlt dementsprechend weniger Sozial- und Rentenbeiträge und geht ein erhöhtes Risiko ein, später in Altersarmut zu landen. Bereits 2013 zeigte eine Allensbach-Studie der Postbank, dass nur knapp ein Viertel der Selbstständigen in Deutschland privat vorsorgen. Aus Trial-and-Error könnte so am Ende ein großes “Error” werden.

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Bildquelle: Hannah Wei / Unsplash.com

Die Idee muss an erster Stelle stehen

Deutschland braucht Start-Ups. Nicht zuletzt im Kontext der Automatisierung und der Industrie 4.0 wehen die kleinen, agilen Unternehmen frischen Wind in eine Wirtschaft, die sich mitten in der digitalen Transformation befindet. Start-Ups schaffen neue Anknüpfungspunkte für alte, starre Branchen. Start-Ups können Software, und Softwareprodukte werden das Zünglein an der Waage bei der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung sein. Deutschland braucht gute Ideen, die die Industrie beleben. Gute Ideen werden es immer wert sein, den Gang in die Selbstständigkeit zu wagen und werden immer die nötige Finanzierung finden. Ideen und technisches Know-How werden auch in der “Betarepublik” Erfolgsfaktoren sein, die den Nährboden für eine erfolgreiche Start-Up-Szene bilden. Wer diese Grundvoraussetzungen nicht mitbringt, sollte sich nach der nächsten “Fuck-Up-Night” umsehen.