Die große Eventsoße: Wie Facebook & Co. unsere Feierkultur zerstören
Facebook & Co. synchronisieren globale Lebenswelten. Dass das nicht immer ein Segen ist, zeigen die vielen Festivals, Events und Veranstaltungen, deren Konzept weltweit kopiert wird – und die dadurch Gefahr laufen, ihren eigentümlichen Charakter zu verlieren.
Es muss ein magischer Moment gewesen sein, damals im Jahr 1988, als ein gewisser Francois Pasquier eine laue Pariser Sommernacht nutzte, um mit seinen Freunden eine spontane Gartenparty zu feiern. Im Verlauf des Abends erkannte der offenbar sehr beliebte Zeitgenosse, dass die Fläche auf seinem Grundstück möglicherweise nicht ausreichen würde, um seine illustre Soiree den weiteren Abend ohne Platzprobleme fortzuführen.
Kurzerhand entschloss er sich also, die Party spontan in den nahegelegenen Bois de Boulogne, einen Park im 16. Pariser Arrondissement, zu verlegen: Ein Picknick unter freiem Himmel, völlig spontan und in prominenter Gesellschaft – ein exklusiver Heidenspaß, der ein voller Erfolg wurde. Denn der spontane Akt bildete von da an den Auftakt zu einer in den Folgejahren jährlich im Juni stattfindenden Veranstaltung, dem “Diner en blanc”, also dem Essen in Weiß, dessen Fangemeinde in der Folge immer größer wurde und dessen einzige Regel die Besucher verpflichtete, sich von Kopf bis Fuß in weiß zu kleiden. Das “Diner en blanc” wurde so zum Flashmob, bevor es Flashmobs gab. Das Erfolgsrezept der Veranstaltungen ist bis heute vor allem deren Exklusivität. Ort und Zeit der Picknicks werden immer erst kurz zuvor bekanntgegeben. Nur wer gut vernetzt ist und “einen kennt, der einen kennt”, kann an dem weißen Spektakel teilnehmen.
Feste: Mosaiksteine der Kultur
Veranstaltungen wie das “Diner en blanc” sind vor allem eines: charakteristisch. Die Mixtur aus einer originellen Entstehungsgeschichte, jahrelang gewachsenen Ritualen, einem bisschen Glück und der nötigen Renitenz der Initiatoren – schließlich ist die Veranstaltung nicht angemeldet – sind die kleinen Bausteine, die dem Mythos der aufgeschlossenen Pariser Lebensart jedes Jahr ein weiteres Kapitel hinzufügen.
Doch bei der Beliebtheit solcher Events beginnt auch das Problem: Veranstaltungen sind Kultur, und Kultur kann exportiert und kopiert werden. Im Falle des “Diner en blanc” dauerte es nicht allzu lange, bis sich erste Ableger im Ausland bildeten und die Tradition auch irgendwann nach Deutschland schwappte. Das erste deutsche “Diner en blanc” fand im Jahr 2010 in Berlin am Bebelplatz statt und zog circa 400 Teilnehmer an. Im selben Jahr fanden sich knapp 500 Weißgekleidete im Münchner Hofgarten ein. Seit fünf Jahren sind die Picknicks feste Institutionen an vielen Orten, bei denen sich hier und da höchstens mal der Name ändert. Mit der Kopie hat sich auch die Machart geändert: statt über persönliche Netzwerke verabredet man sich heute vor allem über Facebook. Die vormals “spontanen” Events lassen sich damit wunderbar planen und durchchoreographieren, sodass jeder Ausbruch spontaner Kreativität bereits im Keim erstickt wird. Die Planbarkeit des Spontanen ist ohnehin eine besonders schöne Eigenschaft sozialer Netzwerke.