Mit der Verbreitung kommt der Profit

Mit der Verbreitung kommt der Profit

Das Internet ermöglicht allen Usern auf der Welt, von bestimmten lokalen und regionalen Besonderheiten zu erfahren und diese in ein öffentliches Licht zu rücken. Events wie das “Diner en blanc” finden auf diese Weise sehr schnell Fans und Anhänger aber auch Plagiateure in anderen Ländern. Eine Besonderheit von Fans ist vor allem, dass sie dazu bereit sind, Geld für etwas zu bezahlen, um daran zu partizipieren.

Ab hier beginnt das Dilemma: dort wo Menschen Geld ausgeben wollen, gibt es immer auch die Möglichkeit, Profite zu machen – im Falle des “Diner en blanc” sind es große Marketing- und Eventagenturen, die aus den vormals aus einer Basisbewegung entsprungenen Events ein profitables Geschäftsmodell entwickeln.

Von Nicht-Orten zu Nicht-Events

Vor zwei Jahren war es dann soweit: Die Agentur “Roewer-Berlin UG” veranstaltete im Jahr 2014 unter dem Motto „München White – Dinner with friends“ ihr erstes weißes Picknick. Die Marketingprofis schöpften dabei das ganze Arsenal ihrer Social-Media-Abteilung aus und schafften im Internet eine pseudo-exklusive Kulisse inklusive Geheimniskrämerei und Spannungsaufbau. Der Preis pro Ticket betrug 39,99 Euro, Essen konnte – entgegen der ursprünglichen Idee – auch von einem ansässigen Caterer erworben werden. Die Lokalität war aufgrund von Streitigkeiten mit der Stadt zwar weniger attraktiv als ein Pariser Park (das Diner musste auf einer Galopprennbahn vor den Toren Münchens stattfinden), aber wenigstens war durch den hohen Eintrittspreis die nötige Exklusivität gegeben, um der Münchener Schickeria einen schönen, weißen Abend zu bereiten. Letztlich wirkte die Veranstaltung aber gerade wegen der straffen Organisation und der professionellen Werbung der Veranstalter sehr gewollt und wenig spontan. Die Agentur, die das Dinner laut eigener Website in insgesamt elf Städten anbietet, hat es damit geschafft, aus einem Pariser Charakteristikum ein gleichgeschaltetes Happening zu machen, das sich in seiner Machart nicht mehr von anderen kommerziellen Festivals unterscheidet.

Bildquelle: Flickr_Houser Wolf, Lizenz: CC (https:__creativecommons.org_licenses_by-nd_2.0_)
Die Ästhetik des Trostlosen lässt sich an klassischen „Nicht-Orten“, wie sie der Anthropologe Marc Augé beschrieb, wunderbar beobachten Bildquelle: Flickr / Houser Wolf, Lizenz: CC

Der französische Anthropologe Marc Augé entwickelte im Jahr 1992 den Begriff des “Nicht-Ortes” und beschrieb damit Orte, die überall gleich aufgebaut sind und sich durch das Fehlen von Geschichte und Identität, sowie durch eine “kommunikative Verwahrlosung” auszeichnen. Nicht-Orte, das sind Fast-Food-Filialen, Autobahnen, Einkaufszentren. Die Marketingagenturen, die gerade versuchen, ortstypische Veranstaltungen zu kopieren, machen ein Event damit zu einem “Nicht-Event” und schaffen es so im Austausch gegen ein paar Euro, über Jahre und Jahrzehnte gewachsene kulturelle Institutionen zu entwerten und zu verhökern.