Künstliche Bäume und Treibstoff aus CO2

Künstliche Bäume und Treibstoff aus CO2

Wie? Corless‘ Geschäftsidee sieht im Kohlenstoffdioxid keinen unsichtbaren Müll, sondern eine Ressource, die man am besten in Treibstoff verwandeln sollte. Wenn das geschehen sei, dann könne die Menschheit endlich ohne schlechtes Gewissen Auto fahren, Flugzeug fliegen usw. Klingt verrückt. Ist es irgendwie auch, aber technisch zumindest machbar. Auf dem Fabrikgelände von Corless absorbieren lärmende Maschinen das CO2 aus der Luft, speisen es in einen Reaktor zur chemischen Aufbereitung und produzieren daraus Dieselkraftstoff.

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Die Umwandlung von CO2 in Treibstoff kostet sehr zwar viel Energie., jedoch kann Strom auch aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen werden. Quelle: pexels.com

Auch diese Idee erweist sich als nicht neu. Schon vor mehreren Jahren hatte ein deutscher Physiker in den USA ein Konzept präsentiert, um “künstliche Bäume” – wie er es nannte – in die Landschaft zu stellen. Gemeint sind Bäume bestehend aus Metallstangen und Metallmembranen, die CO2 aus der Landschaft filtern. Carbon Engineering hat diese Idee nun fortgeführt und verarbeitet das absorbierte Kohlendioxid sogar noch weiter. Einen Haken hat die ganze Sache natürlich: Die Erzeugung von CO2-Diesel benötigt große Mengen an Strom. Doch wenn es nach Adrian Corless geht, dann ist es wesentlich einfacher, Strom mithilfe von Wind- und Sonnenenergie herzustellen, als Autos, Schiffe und Flugzeuge CO2-frei – also mit Strom – anzutreiben.

Für Konzepte wie die von Corless, Smetacek und Gates gibt es einen neuen englischen Begriff: Geoengineering. Gemeint ist damit der Eingriff in die geochemischen Kreisläufe der Erde durch die menschliche Hand. Selbst der Himmel scheint dabei offen für Experimente.

Die Chance auf eine zweite Ozonschicht

Flugzeuge, die Chemikalien in den Himmel blasen, um es regnen zu lassen, sind ja – vor allem aus China – hinreichend bekannt. Doch das, was der Professor für angewandte Physik David Keith propagiert, eher weniger. Sollten sie jedoch einen seiner Vorträge gelauscht oder ihn auf einer Konferenz erlebt haben, dann ist Ihnen David Keith sicherlich ein Begriff. Der Harvard-Professor hat sich ohnehin längst daran gewöhnt, als “Spinner” abgetan zu werden.

“Ich arbeite daran, wie man bewusst das Klima manipulieren könnte”, sagte Keith in einer Vorlesung voller Erstsemestern. Seine Idee ist folgende: Der Forscher möchte in 25 Kilometern Höhe chemische Substanzen freisetzen. Schwefelsäure, Kalziumcarbonat oder Ähnliches. Nach einer gelungenen Testphase sollen im Sinne des Physikers eine Million Tonnen im Jahr in den Äther geblasen werden, kleine Partikel also, die sich dann gleichmäßig rund um den Globus verteilen. Die chemischen Substanzen würden folglich als Spiegel fungieren, die Teile des Sonnenlichts zurück in das Weltall schicken. Für den Professor die letzte Chance, unseren Planeten zu kühlen.

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Fairerweise muss man sagen: Hätten wir die natürliche Ozonschicht nicht stark in Mitleidenschaft gezogen, dann bräuchten wir Keith und seine Ideen auch nicht. Plötzlich scheint eine zweite, künstliche Ozonschicht gar nicht mehr so abwegig. Quelle: pexels.com

Mit diesem ungewöhnlichen Ansatz ist der Forscher mittlerweile nicht mehr ganz alleine: So haben sich die amerikanische „National Academy of Sciences“, weitere staatliche Forschungsorganisationen und sogar namhafte Umweltschutzgruppen inzwischen für derartige Experimente ausgesprochen.

Computersimulationen sprechen für die Machbarkeit, unserem Planeten eine neue künstliche Ozonschicht zu verpassen. Selbst die Natur scheint David Keith in seinem Vorhaben zu stützen. Als im Jahr 1991 der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen ausbrach, verbreitete sich das mit urzeitlicher Gewalt ausgestoßene Schwefeldioxid um die ganze Erde. Und tatsächlich: Im Jahr 1992 wurde ein globaler Temperaturabfall von 0,5 Grad festgestellt. Die vielen kleinen „Spiegelchen“, die so auf “natürlichem” Weg in den Äther gelangten, konnten die Erde zumindest für ein Jahr abkühlen, bis die Schwefeldecke sich wieder lichtete.

Mühsames Kopfzerbrechen

Keith äußert sich im Grunde ähnlich wie Ruth Gates. Es wäre auch ihm am liebsten, wenn man über so etwas wie künstliche Vulkanausbrüche gar nicht erst nachdenken müsste. Doch der Physiker glaubt nicht mehr daran, dass es noch Wege gibt, die ohne Gefahren und Risiken einhergehen.

Interessanterweise sind es aber gar nicht immer nur potenzielle Gefahren und Risiken, die Kritiker und Umweltaktivisten auf den Plan rufen, die gegen technische und künstliche Ideen protestieren, wie sie Gates, Corless, Smetacek und Keith vorschlagen. Denn abgesehen von den Eingriffen in unser bestehendes Ökosystem schwelt noch ein ganz anderer Konflikt zwischen Ingenieuren und Ökoaktivisten. Man tut gut daran, sich den Diskurs anzusehen, denn früher oder später werden Entscheidungen getroffen werden müssen, die das Klimapendel in die ein oder andere Richtung ausschlagen lassen werden.

Ökoaktivisten halten derartigen Techniken i.d.R. entgegen, dass sie an der Lösung des eigentlichen Problems – nämlich der Reduzierung von CO2 – vorbeischießen und noch viel schlimmer: Techniken, die dem CO2-Ausstoß seine gefährlichen Zähne ziehen, befeuern ja gerade eine Mentalität, die zu noch mehr Verbrauch anregt. Damit ist ein großes Fass aufgemacht, das diskursiv kaum zu erschöpfen ist.

Wie sollen wir in Zukunft leben? Müssen wir nach Jahren des Übermaßes und der Völlerei nicht endlich Verzicht lernen? Doch selbst wenn: Wie erklären sie eine Kultur des Verzichts Ländern, die von deutlich weniger Wohlstand geprägt sind als beispielsweise USA oder Deutschland? Kann man die Bevölkerung überhaupt zu Verzicht zwingen? Bräuchte das nicht einen neuen Menschen und klingt das nicht viel zu utopisch? Es ist ein alter Streit zwischen Idealisten, Realisten und Pragmatikern, der sich auf absehbare Zeit gewiss nicht lösen lässt. Das Ergebnis dieses diskursiven Prozesses liegt noch in weiter Ferne – angesichts globaler Ungleichzeitigkeiten noch umso mehr.

Doch angesichts schwindender Eisdecken scheint uns die Zeit davonzulaufen. Kaum ein Wissenschaftler hält das Zwei-Grad-Ziel noch für realistisch: Pole schmelzen, Naturkatastrophen nehmen zu, Korallen sterben, ganze Tierarten verrotten und eine echte Lösung scheint so fern wie nie.

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Freilich muss sich auf lange Sicht auch unser Konsumverhalten ändern, doch Fortschritt lässt sich nicht maßregeln: Solange es andere Techniken gibt, werden die Menschen nicht wieder Kutsche fahren. Quelle. pexels.com

Der Mensch mag ja vieles sein. Was wurde er aus philosophisch-anthropologischer Sicht nicht alles genannt: homo academicus (Der akademische Mensch), homo astheticus (Der ästhetische Mensch), homo ludens (Der spielende Mensch), homo faber (Der schaffende Mensch), homo cooperativus (Der zusammenarbeitende Mensch), homo oecologicus (Der ökologische Mensch) oder homo oeconomicus (Der ökonomische Mensch). Doch ob der homo renuntius (Der verzichtende Mensch) ebenso in der Gattung Mensch steckt, bleibt vorerst abzusehen.

Mit Blick auf die Klima-Uhr scheint es keine gute Idee zu sein, darauf zu warten. Selbst der größte Technikfeind, der gar keine Eingriffe in Mutter Natur wünscht, sollte noch mal kurz innehalten. Denn die immer noch ungelöste Frage wird in baldiger Zukunft virulent:

Nichts tun oder Gott spielen? Die Technik haben wir längst, doch wollen wir sie auch benutzen?