Fake-News haben nicht die Wahl gewonnen

Fake-News haben nicht die Wahl gewonnen

Gerade mal ein Prozent der Nachrichten auf Facebook seien gefälscht, sagte jüngst Mark Zuckerberg, als er sich nach der Trump-Wahl der heftigen Kritik stellte. Obwohl er für die Zahl keinen stichhaltigen Nachweis lieferte, könnte er trotzdem – zumindest im Ansatz – Recht haben.

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Freut sich aktuell wohl nur auf diesem Pressebild: Facebook-CEO Marc Zuckerberg. (Quelle: Facebook)

Denn obwohl sich die Kommentatoren aus dem unterlegenen Lager aktuell darin überbieten, dem größten sozialen Netzwerk die Schuld am Ausgang der US-Wahl zu geben, wurde diese nicht dadurch entschieden, dass eingeschworene Trump-Anhänger die abstrusesten Falschmeldungen teilten und sich gegenseitig in ihrer Haltung bestärkten. Nur ganz wenige Wähler dürften angesichts von Nachrichten wie “Hillary Clinton liefert Druckmaschinen für Reisepässe an den IS” (gelesen auf der Satireseite http://www.realtruenews.org/ ) ihre Wahlentscheidung noch einmal überdacht haben. Fake News taugen ideal dafür, sich die eigene Social-Media-Filterblase noch ein bisschen gemütlicher zu machen, die eigenen Haltung zu manifestieren und sich jeden Tag ein bisschen mehr von dem zu entfernen, was man einst “Diskurs” nannte. Mache Facebook zu deinem Facebook.

Auf der öffentlichen Agenda sind Fake-News trotzdem gelandet. Spätestens als eine Nachricht über den angeblichen Tod von Marc Zuckerberg auf Facebook hunderttausendfach geteilt wurde, gelobte der CEO Besserung und kündigte an, Maßnahmen gegen Fake-News zu “prüfen”. Das Thema sei allerdings „technisch und philosophisch hochkomplex“. Facebook arbeite aber intensiv daran, die falsche Propaganda zu minimieren.

Was das soziale Netzwerk unter “intensiv” versteht, konnte man diese Woche wieder wunderbar beobachten, als es stolze drei Tage dauerte, ein falsches Zitat der Grünen-Politikerin Renate Künast im Zusammenhang mit der Mordtat von Freiburg zu löschen („Der traumatisierte Junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt trotzdem helfen“). Seitdem sind wir um ein Beispiel für die laxe Löschungspolitik von Facebook reicher.

Passieren wird erstmal: Nichts

Nichtsdestotrotz bewerteten viele Beobachter Zuckerbergs Statement als Schuldeingeständnis, die “Welt” sprach gar von einer “Rolle rückwärts” des Top-Managers. Wer angesichts dieser Aussage auf eine Besserung der publizistischen Qualität in dem sozialen Netzwerk hofft, liegt trotzdem falsch. Zuckerbergs Aussage war weniger ein “mea culpa” als vielmehr eine Kapitulation vor den Realitäten. Alleine die “philosophische Komplexität” dürfte sich als unüberwindbar erweisen. Denn wer zweifelsfrei Falschmeldungen aus dem Internet verbannen will, muss zunächst einmal die Definitionshoheit darüber erlangen, was denn als “wahr” und als “falsch” einzustufen ist – eine Frage, die auch ein philosophisches Proseminar nicht zweifelsfrei beantworten kann.

Wer sich einmal die Mühe macht, mögliche Handlungsoptionen des Unternehmens durchzuspielen, der wird merken, dass der Spielraum, sehr, sehr begrenzt ist:

Ein automatisiertes Löschen von Fake-News wird und kann dabei schon mal nicht die Lösung sein, da dadurch auch zwangsläufig “wahre” Postings durch das Raster fallen würden. Algorithmen können viel, die sinngemäße Interpretation von Sprache gehört allerdings nicht zu ihren Stärken. Eine ironische Bemerkung ist schließlich kein Nippel. Entrüstung und Zensurvorwürfe wären angesichts fälschlicher Löschungen vorprogrammiert.

Womöglich wäre das Modell “Wikipedia” eine Option, also die Schaffung einer erhabenen, sich selbst kontrollierenden Community aus verifizierten Autoren mit festen Spielregeln, deren Diskussionskultur sich entlang echter Argumente ausrichtet. Aber ob ein pensionierter Erdkundelehrer wirklich Lust dazu hat, sich mit dem Wahrheitsgehalt von Facebook-Seiten wie “Frauen mit Stil hinterlassen Kratzspuren, keine Knutschflecke” auseinanderzusetzen, gilt keinesfalls als sicher.

Als Alternative bietet es sich zudem an, auf die “Crowd” zu vertrauen, die zweifelhafte Inhalte bitte melden möge. Doch sollen die User dabei gleich den Grund inklusive stichhaltiger Argumente mitliefern, oder hängt die finale Entscheidung letztlich von einem Facebook-Mitarbeiter ab, der die gemeldeten Inhalte überprüft? Die Wahl fiele wohl auf Variante 2, womit wir wieder beim Status Quo wären.

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Neben der Gettysburg-Address ist diese Äußerung wohl die bekannteste des 16. US-Präsidenten.

Es bleibt also bei dieser einzigen Option: Wenn Facebook den Kampf gegen die schleichende Postfaktisierung (obacht: Neologismus) der eigenen Seite aufnehmen will, muss das Unternehmen in mehr Personal investieren, das jeden einzelnen Vorwurf prüft, bewertet und gegebenenfalls löscht – und das auch noch innerhalb eines vertretbaren Zeitfensters. Dafür braucht man Mitarbeiter, die journalistisches Know-How mitbringen und ähnlich dem Vorgehen in modernen Nachrichtenredaktionen schnelles, aber trotzdem professionelles Fact-Checking betreiben können. Das kostet, ist langfristig aber die einzige Alternative.

Fake-News werden wohl nur kontrollierbar werden, wenn sich innerhalb des Unternehmens ein Strategiewechsel einstellt und sich die Plattform als das begreift, was sie schon lange sein will: Ein Nachrichtenaggregator. Die weit billigere Alternative wäre, alles so zu belassen, wie es ist. Der Schaden, der dabei entstünde, wäre allerdings irreparabel. Das Problem wären nicht unbedingt die vielen Rechtsstreitigkeiten mit Opfern von “Fake News”, sondern ein langfristiger Reputationsverlust, der heute schon eingesetzt hat.

Raus aus der Bubble

Nun stellt sich noch die Frage: Was soll der gemeine Medienkonsument denn nun tun? Warten, bis sein Lieblingsnetzwerk die eigene Selbstreinigung vollzogen hat? Wird dauern. Darauf vertrauen, dass einem die Institutionen schon sagen, welches Medium vertrauenswürdig ist? Geht nicht, Demokratie und so. Wieder analog werden und zur “Hallertauer Zeitung” greifen? Kostet leider.

Ein guter Ansatz wäre vielmehr, einfach wieder das zu tun, was in Zeiten eines direkteren bzw. unmittelbaren Medienkonsums Gang und Gäbe war: Das Gelesene aufnehmen, einordnen, kritisch bewerten und mit anderen Quellen vergleichen. Oder noch tollkühner: sich bewusst zu machen, dass Nachrichtenformate immer auch Tendenzbetriebe sind, mit eigenen Interessen und Meinungen, die sich häufig aber immer noch an das halten, was einst als “journalistische Redlichkeit” bezeichnet wurde. Der Pressekodex mag seine Schwächen haben, Argumente für eine fundiertere Medienkritik liefert er allemal. Und das Beste: Dieser Kriterienkatalog ist auf alles anwendbar, was irgendwo publiziert wird, egal ob es um sich um einen Artikel der “Mainstream-Presse” oder um Publikationen wie Compact, Russia Today, Breitbart News o.Ä. handelt. Vielleicht, aber nur vielleicht führt am Ende ja die Auseinandersetzung mit journalischen Gütekriterien auch dazu, die eigenen Nachrichtenquellen zu hinterfragen. Völlig wertfrei natürlich.