Freemium: Klassengesellschaft auf dem Smartphone

games-these-days_o_5140689Die Freemium-Welt wird mit In-Game-Käufen mitunter zur Klassengesellschaft. Nur wer bereit ist, laufend zu investieren, kann am Ende auf einen Spitzenplatz in der Highscoreliste hoffen. Das Freemium-Konzept scheint die Spieler hingegen nicht vom Download abzuhalten, die sogenannten “Free-to-Play”-Apps belegen seit Jahren Spitzenplätze im Downloadranking von Google Play und Apples App-Store. Besonders erfolgreiche Klassiker sind etwa “Clash of Clans”, “Mobile Strike” oder das in der Vergangenheit fast schon zum Synonym für besonders exzessive In-Game-Käufe gewordene “Die Simpsons: Springfield” sind Topseller auf dem Mobile-Markt. Dass sich mit den freien Spielen nicht weniger Geld verdienen lässt als mit käuflich zu erwerbenden Spielen, das konstatierte bereits 2013 der Medienwissenschaftler Jeffrey Wimmer gegenüber Spiegel Online: „Die Spieler werden mit dem Gratisangebot geködert, subsumiert man die Kosten, dann geben die Spieler verhältnismäßig mehr Geld aus als für ein traditionelles Computerspiel.“

Von einer regelrechten “Abzockermentalität” war damals die Rede, zulasten von Qualität und Spielspaß. Der Profit stünde bei diesen Spielen mehr als sonst im Vordergrund, da zwar nur wenige Spieler wirklich zahlen würden, dann aber auch gerne ein Vielfaches von dem, was ein konventionelles Spiel kostet. (Wer sich etwas intensiver mit der Freemium-Problematik auseinandersetzen möchte, dem sei diese South-Park-Episode empfohlen)

Geändert hat sich seitdem wenig. Freemium ist nach wie vor die beliebteste Distributionsform auf dem Mobile-Markt – aller Kritik zum Trotz. Warum also diese im Grunde alte Kamelle noch einmal aufwärmen? Ganz einfach: Der Erfolg von Pokémon Go, dem Handyspiel des Jahrzehnts. Die App generierte innerhalb der 30 Tage seit ihrem Launch bereits Nettoumsätze in Höhe von 200 Millionen Dollar mit In-App-Käufen, wie die App-Analyseplattform Sensor Tower ermittelte. Das sei demnach mehr als vier Mal soviel wie bei dem beliebten Titel „Candy Crush Soda Saga“ und fast doppelt so viel wie bei „Clash Royale“. Pokémon Go hievt damit das Freemium-Gaming in völlig neue Umsatzzonen.

Sammeln, Sammeln, Sammeln

Die Augmented-Reality-Adaption des Gameboy-Klassikers sprengt derzeit alle Rekorde. Die App hat es geschafft, aus gestandenen Erwachsenen wieder 12-jährige Kinder zu machen, die ihre spätestens mit der Pubertät abrupt beendete Karriere als Pokémon-Trainer wieder aufnehmen und mit gezücktem mobilen Endgerät durch die Straßen von Wanne-Eickel, Großdingharting oder Berlin laufen und dort hin- und wieder für Irritationen unter Nicht-Spielern sorgen. Die App rief neben begeisterten Kommentatoren, die besonders den Aspekt hervorhoben, dass das Spiel es schaffe, aus Stubenhockern Spaziergänger zu machen, auch Katastrophenpropheten auf den Plan, die befürchteten, dass das Spiel die Verkehrssicherheit gefährde und für eine weitere Zunahme von Smartphone-Zombies im öffentlichen Raum sorgen werde.

Die Wahrheit liegt dabei wohl irgendwo dazwischen. Das Spiel wird weder eine pädagogische Revolution darstellen, noch den Weltuntergang herbeiführen.

Ein Risiko allerdings ist akut: Die App hat es geschafft, eine ehemals beliebte Spieleserie ins 21. Jahrhundert zu überführen und sie so für den Massenmarkt zugänglich gemacht. Die Frage ist nun, ob dieser Massenmarkt mit neuen Spielern dem Spiel gut tut und die Pokémon es vermeiden können, Opfer ihres Erfolgs zu werden.